“Mit Rose & Revolver”
Die „Mobilen Brigaden“ und die
Kriminalität in der „Belle Epoque“
Von 1974 bis 1983 lief in Frankreich eine Kriminalserie von 36 Folgen, die sich mit den „Mobilen Brigaden“ (Brigades Mobile) befassten, den ersten modernen Einheiten der französischen Kriminalpolizei. Leider liefen von den 36 Episoden nur 13 bei uns. Sie wurden nun endlich wieder aus dem Archiv geholt und von der Pidax-Film auf DVD herausgebracht (Achtung, dies ist ein nicht-kommerzieller Tipp für kriminalhistorisch interessierte Besucher meiner Homepage!).
In der französischen Version hieß der Titel der Serie „Les Brigades du Tigre“ (Tiger-Brigaden). Die Aufstellung dieser Kripoeinheiten erfolgte 1907 durch den damaligen französischen Innenminister Clemenceau, der den Spitznamen „Tiger“ von seinen politischen Freunden und Feinden bekam. Jedoch war der Begriff „Tiger-Brigade“ nur der TV-Titel, zeitgenössisch sprach man nur von den „Mobilen Brigaden“ (Brigades Mobile).
Kommissar Valentine, dargestellt von Jean Claude Bouillon ( er wurde bei uns durch die Agentenserie „Alexander Zwo“ bekannt), ist jedoch nur eine Spielfigur, ihn und sein Team gab es in der Realität nicht. Valentine und sein Team stehen repräsentativ für die damaligen „Mobilen Brigaden“.
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Die Serie hat einen semi-dokumentarischen Anstrich. Am Anfang und am Ende jeder Episode kommentiert ein Sprecher aus dem Off das soziale und politische Klima des Jahres, indem die jeweilige Episode spielt. So kommt in der fiktiven Handlung jeweils der zeitgeschichtliche Hintergrund zum Tragen. Valentine und seine Männer kämpfen gegen die damals wirklich existierende anarchistische Bonnot-Bande, sie vereiteln Sabotageakte gegen den Flugpionier Bleriot, der als erster mit einem Flugzeug den Ärmelkanal überquerte, setzen vor dem Hintergrund der deutsch-französischen Marokkokrise einen deutschfreundlichen Sultan matt, kämpfengegen den serbischen Geheimbund „Schwarze Hand“ und bekämpfen Korruption in Politik und Behörden.
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Diese Mischung aus Fiktion und in der Handlung vorkommenden Personen der Zeitgeschichte erinnert an die amerikanische Serie „The Untouchables“ mit Robert Stack, die ebenfalls einen semi-dokumentarischen Charakter hatte.Die Zeit in der Valentine und seine Kollegen auf Verbrecherjagd gehen ist die „Belle Epoque“ Die Zeit von 1884 bis 1914.Eine Zeit der schnellen Entwicklung in der Elektronikindustrie, der chemischen Industrie, der Stahlindustrie und des Verkehrswesens. Auch die Verbrecherwelt schlief nicht und benutzte schon Automobile für Banküberfälle, während die Polizei noch auf dem Fahrrad oder auf dem Pferderücken die Verbrecher verfolgte.
Dies war die Stunde der Aufstellung der „Mobilen Brigaden“. Ausgerüstet mit den damals modernsten technischen Mitteln, wie Autos, Telegrafie und Schreibmaschinen, sowie in den modernen Methoden der Kriminalistik wie dem Fingerabdrucksystem und der Fotografie unterwiesen. Außerdem lernten die damaligen Elitepolizisten auch schon Nahkampftechniken.
Es wurde Zeit, dass die Polizei damals nachrüstete. So standen im Jahre 1907 gerade einmal 8000 Pariser Polizisten 30 000 „Apachen“ gegenüber. Apachen nannte man damals in Frankreich die Pariser Verbrecherbanden, da deren Angehörige die Wildheit der amerikanischen Ureinwohner gehabt hätten.
Die „Apachen“ entwickelten sogar für den Straßenkampf eine eigene Waffe, den sogenannten „Apachen-Revolver“. Eine Schusswaffe, versehen mit Schlagring und Dolch. Eine große Plage waren auch die damaligen Anarchisten. So benutzte die Bonnot-Bande als erste Verbrecherbande in der Kriminalgeschichte ein gestohlenes Auto als Fluchtfahrzeug.
Die „Gute alte Zeit“ oder „Belle Epoche“ war alles andere als gemütlich. Terroranschläge, Attentate, Morde und Überfälle waren damals genauso an der Tagesordnung wie heute. (siehe meine Reportagen „Der Fall Hofrichter“ und „Friedberg 1910“). So wurde zum Beispiel der Mörder Dr. Crippen mit Hilfe der drahtlosen Telegrafie verhaftet und die Geheimdienste von Deutschland, Frankreich, England, Russland und Österreich-Ungarn lieferten sich einen Untergrundkrieg auf der Jagd nach den Aufmarschplänen der jeweils anderen Seite. Kein Wunder, dass damals in Paris via Spannungsroman der König der Verbrecherwelt das Licht der Welt erblickte: Fantomas!
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Schon 1913/14 wurde ein fünfteiliges Fantomas-Stummfilmserial gedreht. Stoff für die Romane war damals genug vorhanden, so war Fantomas zum Beispiel auch der Boss über die „Apachen“ von Paris. Beim Durchstöbern alter Journale aus Wien und Paris musste ich feststellen, dass damals bereits mehr Blut aus den Zeitungen floß als heute aus der „BILD“. Kommissar Valentine ermitteln Sie! Hier einige Beispiele:
Die Belagerung eines Wilddiebes in Frankreich
Die Pariser Apachen – Mord an Wachmann
Überfall auf einen Eisenbahnzug bei Paris
Überfall auf eine Trödlerin in Paris
Die Bonnot-Bande
Jagd auf Dr. Crippen
Spionage
Bildnachweis:
« Le Petit Journal »: Bibliotheque nationale de France, Paris
« Wiener Bilder » : Österreichische Nationalbibliothek, Wien
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