Blutspur durchs Rhein-Main-Gebiet
1969 – Der unheimliche Mordschütze
1. Die Verbrechen
Stefan Makli (56), gebürtig aus Aka in Ungarn, und seine Ehefrau Maria Makli (61), geboren in Isztimer, ebenfalls in Ungarn, lebten seit 1948 in Neu-Isenburg. Höchstwahrscheinlich waren beide volksdeutsche Aussiedler. Seit Jahren betrieb das Ehepaar auf einem von der Gemeinde gepachteten Grundstück eine kleine Landwirtschaft. Auf dem Wiesengelände vor und hinter dem Gartenhaus, einem Behelfsheim, das zu einer ehemaligen Flakstellung aus dem 2. Weltkrieg gehörte und das von den Maklis bewohnt wurde, befanden sich Hühner, Gänse, Schafe, eine Katze sowie eine Kuh. Im „Hanauer Anzeiger“ hieß es sogar, dass sie neben 40 Schafen noch Ziegen und Enten auf ihrem Gelände gehalten hätten. Das Areal befand sich am östlichen Ende von Neu-Isenburg „An den Grundwiesen“ im sogenannten „Brüllochsenbachweg“. Die Maklis lebten sehr zurückgezogen und die ganze Behausung war ärmlich und heruntergekommen.
Stefan Makli war in Neu-Isenburg gut bekannt, gelernter Maurer, der bei Bauvorhaben mitarbeitete. In der XY-Sendung wird man später noch erfahren, dass er gelernter Metzger gewesen sei und auch selbst geschlachtet habe. Tiere für die hauseigene Schlachtung hatten die Maklis ja mehr als genug.
Das Mordopfer Stefan Makli
Foto: Kriminalpolizei
Am 05. September 1969 um 12.30 Uhr bekam die Staatliche Kriminalpolizei in Neu-Isenburg einen Anruf, dass das Ehepaar Makli tot im Zimmer ihres Gartenhauses liege. Der Anrufer war ein Kleingärtner der benachbarten Gartenkolonie „Am Engwaad“, dem die eingeschlagene einzige Fensterscheibe der Behausung aufgefallen war. Als die Kripo am Tatort eintraf, fand sie Stefan Makli tot auf dem Sofa. Die Leiche war mit Decken zugedeckt. Seine Ehefrau Maria lag auf dem Fußboden am Tischende, auch sie war zugedeckt. Das Zimmer war total durchwühlt, Schubladen und Behältnisse waren aufgebrochen, überall standen Flaschen herum und es sah so aus, als ob in der ärmlichen Behausung eine Granate eingeschlagen hätte. Den Beamten drängte sich sofort der Verdacht auf, dass hier ein Doppelmord verübt wurde. Der braune Setter der Maklis lag draußen vor dem einzigen Fenster der Hütte und wartete brav auf seinen Herrn, der niemals mehr erscheinen sollte.
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Das Zimmer der Maklis. Aufgenommen am Tag der Entdeckung des Doppelmordes durch Fotografen der Offenbach-Post. Gut zu erkennen der Setter.
Fotos: ©Copyright: Offenbach-Post (mit freundlicher Genehmigung)
Gegen 14.00 Uhr traf das Spurensicherungskommando des LKA Wiesbaden ein. Aus Darmstadt stießen dann noch der Ermittlungsrichter und der Gerichtsmediziner hinzu. Es wurde festgestellt, dass die Eheleute per Kopfschuß getötet wurden. Man nahm an, dass es sich bei dem Verbrechen um einen Raubmord handelte, da Stefan Makli überall herumerzählt hatte, dass er über größere Bargeldmittel verfüge. Ein Umstand, den sicherlich niemand geglaubt hätte, der die heruntergekommene Behausung gesehen hatte, in der die Maklis gewohnt hatten, es sei denn, eine Person aus dem Bekanntenkreis. Die Ersparnisse hatte Frau Makli angeblich in einem Strumpf versteckt – wie zu Urgroßmutters Zeiten. Zudem hatte Stefan Makli am 07. September mit seinem Pkw nach Ungarn fahren wollen, um in seiner ehemaligen Heimat Zeugen für eine Lastenausgleichszahlung zu finden. Auch für diese Reise brauchte er eine Menge Geld, das in der heruntergekommenen Behausung verwahrt wurde. Der Mörder mußte von der geplanten Reise Stefan Maklis gewusst haben, wenn er 2 – 3 Tage vor dessen Abreise zuschlug. Er musste gewusst haben, dass in der
ärmlichen Hütte ein dicker Batzen Geld zu holen war.
Merkwürdig auch das Verhalten des Hundes. Er scheint den Mörder, als dieser auf das Gelände schlich, die Scheibe einschlug, die Maklis im Schlaf erschoss, die Bude auf den Kopf stellte und anschließend wieder über das Gelände verschwand, nicht angegangen zu haben. Sonst wäre das Tier ebenfalls von dem unheimlichen Mörder erschossen worden. War der Setter etwa zutraulich, weil er den Mörder kannte?
Die Leichen der beiden Maklis wurden zur Obduktion ins Gerichtsmedizinische Institut nach Frankfurt am Main überführt.Dort wurde festgestellt, dass das Ehepaar aus nächster Nähe erschossen worden war. Als Mordwaffe hatte eine Pistole des Kalibers 7,65 mm gedient. An der Aufklärung des Raubmordes arbeitete die staatliche Kriminalabteilung Neu-Isenburg unter der Leitung von Kriminaloberkommissar Bernhard Pflug sowie Kriminalrat Gnad (Wiesbaden), Kriminaldirektor Gaulke (Darmstadt) und Kriminaloberkommissar Beurenmeister (Mühlheim).
Die Kripo stellte folgende Fragen an die Bevölkerung:
„Wer hat die Eheleute Makli in der Nacht zum 5. September oder am Abend des 4. Septembers gesehen?
Wer hatte zu dem Ehepaar Kontakt und kann über persönlichen Besitz oder Gegenstände Angaben machen?
Wer hat in der genannten Nacht oder abends Personen an den „Grundwiesen“ oder am Brüllochsenbachweg gesehen?
Wer hat in der fraglichen Nacht oder am Abend Schüsse, Hundegebell gehört oder sonstige Wahrnehmungen gemacht?“
Das Areal am Brüllochsenbachweg war berüchtigt. So schrieb die „Offenbach-Post“: „…in einem Gebiet, das zum Leidwesen der dortigen Kleingärtner geeignet ist, lichtscheuem Gesindel Unterschlupf zu gewähren. Die Kripo kann davon ein Lied singen.“
Der Zeitpunkt des Mordes wurde bestimmt mit „zwischen 20.30 Uhr und 24.00 Uhr“.
Weiterhin waren an der Aufklärung des Verbrechens folgende Institutionen und Beamte beteiligt:
Die Spurensicherungskommission des Hessischen Landeskriminalamtes, drei Ärzte des medizinischen Instituts Frankfurt am Main unter der Leitung von Medizinaldirektor Gunkel vom Kreisgesundheitsamt Offenbach am Main, Staatsanwalt Burger (Darmstadt) und als Ermittlungsrichter Amtsgerichtsrat Giwitz (Offenbach).
Der Oberstaatsanwalt in Darmstadt setzte eine Belohnung von 2000 DM für Hinweise aus, die zur Ergreifung des Täters führen. Zudem wurde eine achtköpfige Sonderkommission gebildet.
Wenige Tage nach dem Doppelmord, am 09.09.1969, wurde in der Presse bereits eine Täterbeschreibung veröffentlicht:
„Südländischer Typ Alter 25 bis 30 Jahre , 1,68 m bis 1,70 m groß, mittlere Gestalt, normale Gesichtsform und zurückgekämmte, dunkle Haare“.
Wieder einige Tage später, am 13.09.1969, wurde dann in der Presse bereits ein Phantombild veröffentlicht, angeblich nach „Überprüfung zahlreicher Hinweise aus der Bevölkerung“.
Doch den geheimnisvollen Täter hatte niemand gesehen, wie kam es, dass ca. eine Woche nach dem Doppelmord auf einmal ein Phantombild nach einer Täterbeschreibung angefertigt werden konnte?
Das erste Phantombild des Mörders, das nach der Beschreibung der Rocker angefertigt wurde.
Bild: Kriminalpolizei
Wir blenden kurz einige Monate zurück. Frankfurt am Main, 07. April 1969, die Nacht von Ostersonntag auf Ostermontag. In der Gallusanlage, gelegen in der Nachbarschaft zum Frankfurter Bahnhofsviertel, wollten fünf Rocker einen einsamen Spaziergänger überfallen. Einer der Rocker ging auf ihn zu und verlangte Feuer für seine Zigarette. Der Angesprochene sagte nur: „Nix“. Als der Rocker dann gegenüber dem einsamen Nachtschwärmer handgreiflich werden wollte, zog dieser eine Pistole und verpasste dem Halbstarken einen Schuss in den Oberschenkel. Ein anderer Rocker, der von einer Notrufsäule Hilfe herbeiholen wollte, wurde laut einem Pressebericht ebenfalls von dem Unbekannten beschossen. Später, in der XY-Sendung, wird jedoch in der filmischen Rekonstruktion die Benachrichtigung der Polizei einem Passanten zugeschrieben.
Die polizeiliche Kenntnis über die Begegnung des Mordschützen mit den Rockern wurde jedoch im September 1969 aus fahndungstaktischen Gründen der Öffentlichkeit und damit dem Mörder noch nicht mitgeteilt. Dem Phantombild und der Täterbeschreibung lagen die Aussagen der fünf Rocker zugrunde. Getarnt als „zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung“. Erst in Presseberichten vom November 1969, nach der Fortsetzung der Mordserie, liest man über den Rockerzwischenfall des Mordschützen.
Während die Fahndung der Soko nach dem Doppelmörder der Maklis auf Hochtouren lief, schlug der unheimliche Mordschütze abermals zu, wie ein Phantom aus der Dunkelheit auftauchend. Am 25.10.1969 betrat er die Shell-Tankstelle in Walldorf und verlangte vom Tankwart Fritz Cordes (51), der sich bereits auf den Feierabend vorbereitete, einige Dosen Motoröl. Als Fritz Cordes die Kasse öffnete, um das Geld zu wechseln, zog der Unheimliche eine Pistole und tötete Cordes mit einem Nahschuß durch den Hals. Die Beute: rund 2000 DM.
Eine Woche später, am 03. November 1969, tauchte der unheimliche Mordschütze am Abend in der FINA-Tankstelle in Sprendlingen auf. Auch hier verlangte er vom Tankwart, dem 24jährigen Willy Neumann, Motoröl. Als der Tankwart sich über die Registrierkasse beugte, zog der Gangster seine Pistole und schoss ohne Vorwarnung. Die Kugel verfehlte jedoch ihr Ziel und schlug in die Wand. Neumann ließ sich, um den Täter zu bluffen, mit einem Aufschrei zu Boden fallen und ahmte das Stöhnen eines Getroffenen nach. Das rettete ihm das Leben. Der Verbrecher entkam mit einer Beute von 159,29 DM.
Neumann konnte eine gute Täterbeschreibung abgeben, nach der anschließend ebenfalls ein Phantombild angefertigt wurde.
Das nach der Beschreibung des Tankwarts Neumann ange- fertigte zweite Phantombild des unheimlichen Mordschützen.
Bild: Kriminalpolizei
Die neue Täterbeschreibung lautete:
„30 bis 35 Jahre alt, 1,60 bis 1,70 Meter groß, schlank, unscheinbare Gestalt (mickrige Figur), hageres Gesicht, unter den Augen zahlreiche Falten, braune Augen, schwarzes Haar bis in den Nacken, vollständige gelbliche Zähne, schwarzer Menjou-Bart, trug am linken Ringfinger einen goldfarbenen Siegelring, Südländertyp, trug helles Hemd, modischen Sporthut, seine Kleidung wirkte ungepflegt.
Aus seiner Sprache, bei den Überfällen hatte er kaum etwas gesagt, ließ sich nicht genau entnehmen, ob es sich um einen Deutschen oder um einen schon lange in Deutschland lebenden Ausländer handelt.“
Heinz Scheib der Leiter der Sonderkommission in Neu-Isenburg, erklärte, dass man es bei dem Gesuchten mit einem typischen „Killer“ zu tun hat. Die „Sonderkommission Makli-Cordes“ bestand jetzt aus 25 Sachbearbeitern. Insgesamt wurden 16000 DM Belohnung ausgesetzt, darunter 5000 Mark von einem Privatmann, der anonym bleiben wollte.
Die Schlüsselfiguren in dieser Verbrechensserie blieben die ersten zwei Mordopfer – das Ehepaar Makli. Die Kripo war nach der Zusammenfassung aller Ermittlungsergebnisse fest davon überzeugt, dass der Mörder im weiteren Bekanntenkreis Stefan Maklis zu suchen war.
Die Hauptfrage lautete immer wieder: Wer kennt Maklis Umgang?
Die Kripo stellte der Öffentlichkeit abermals folgende Fragen:
- Mit wem wurde Stefan Makli vor seinem Tod zusammen gesehen? Wer kann sagen, wo sich Stefan Makli öfters aufhielt, wenn er über Nacht nicht zu Hause war?
- Wer kann Angaben über den allgemeinen Umgang von
- Makli machen? Möglicherweise kommt der Mörder aus Maklis Bekanntenkreis.
- Wem hat ein Mann von dem Zwischenfall in der
- Nacht zum Ostermontag dieses Jahres in der
- Gallusanlage erzählt? Wem hat ein Mann erzählt,
- er habe in Notwehr auf Rowdys schießen müssen?
Es gingen 300 Hinweise aus der Bevölkerung bei der Polizei ein, 800 Personen wurden überprüft. Aber der unheimliche Mordschütze verschwand nach dem letzten Überfall am 03.11.1969 spurlos in der feuchten Novembernacht, genauso spurlos, wie er in der Nacht zum Ostersonntag 1969 als einsamer Spaziergänger in der Gallusanlage zum erstenmal aufgetaucht war.
In der XY-Sendung vom 06.03.1970 wurde die Verbrechensserie als filmische Rekonstruktion den Fernsehzuschauern gezeigt.
Auch hier kreisten die Fragen an das TV-Publikum hauptsächlich um den persönlichen Umgang Stefan Maklis, der öfters einige Tage und Nächte von zu Hause ferngeblieben war. Bizarr war das in der Sendung gezeigte Foto eines nackten jungen Mannes, das in der Behausung der Maklis gefunden wurde. In welchen Kreisen Stefan Makli sich herumtrieb, darüber kann man nur spekulieren.
Weiterhin erfuhr man von Eduard Zimmermann, dass die Polizei einen Fingerabdruck des Mordschützen besitzt.
Die Summe der Belohnung, die in der XY-Sendung genannt wurde, betrug letztlich schon 17000 DM. Es half alles nichts. Der Mörder wurde nie gefasst. Die geheimnisvolle Mordserie ist bis heute ungeklärt. Wenn der „Unheimliche Mordschütze“ heute noch lebt, müsste er um die 70 Jahre alt sein.
2. Meine Recherche – Detektivarbeit pur
Schon immer wollte ich auf meiner Homepage diese geheimnisvolle Mordserie wieder einmal aufrollen. Aber mit welchem Material? Wo sind die Akten?
Zuerst einmal setzte ich mich mit dem Hessischen Staatsarchiv in Darmstadt in Verbindung. Aber da es sich um einen ungeklärten Fall handelt, wurden die Akten noch nicht von den Justizbehörden an das Staatsarchiv abgegeben. Fazit: Wenn sie noch existieren, darf ich die Akten als Privatperson nicht einsehen, da es sich um einen offenen Vorgang handelt. Einsicht haben nur Ermittlungsorgane oder nahe Angehörige der Opfer.
Also ging ich erst einmal ins Stadtarchiv Offenbach. Die „Offenbach-Post“ lagert ihr Zeitungsarchiv nicht im eigenen Verlagshaus, sondern dort. Ich wurde bald fündig und ließ mir die entdeckten zeitgenössischen Artikel kopieren.
Dann schickte ich eine E-Mail an die Deutsche Kriminalfachredaktion (DKF), die Redaktion von Eduard Zimmermann. Ich fragte an, ob es möglich wäre, mir eine Kopie des Drehbuchs vom Filmfall des „Unheimlichen Mordschützen“ zu senden.
Hier Passagen aus dem Text der Antwortmail:
„Ihre Homepage ist sehr interessant.
Leider können wir jedoch Ihrer Bitte nach dem damaligen Drehbuch bezüglich des Mordfalles von 1970 nicht nachkommen. Die Kripobeamten treten an uns heran und vertrauen darauf, dass wir ihre Informationen und Unterlagen an niemanden weitergeben. Deshalb möchten wir keine vertraulichen Angaben an Privatpersonen herausgeben.
Wir bitten um Ihr Verständnis und wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg mit Ihrer Homepage – wie gesagt, ein durchaus interessantes Projekt.“
Das kann ich voll verstehen. Als Trostpflaster gab es wenigstens ein dickes Lob von Edes Redaktion.
Da ich immer gleich zu „Hans“ und nicht erst zu „Hänschen“ gehe, rief ich als nächstes ganz einfach das Polizeipräsidium Südosthessen in Offenbach an. Ich schilderte kurz einem Beamten der Abteilung für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit den Fall und wurde von ihm wiederum mit dem Leiter einer Abteilung verbunden, die vom Namen her schon die absolute Kompetenz haben musste und auch hat. Nun schilderte ich auch diesem Beamten kurz den Fall und mein Interesse daran.Vielleicht würde er denken: Na, für so einen privaten Spinner mit seinem Hobby habe ich keine Zeit. Aber er hörte sehr interessiert zu. Im Tatzeitraum waren die behördlichen Zuständigkeiten noch anders; es liegen 40 Jahre dazwischen, und die Polizei war damals noch kommunal. Wer weiß, wo das Material gelandet ist. Der Beamte versprach mir, sich einmal darum zu kümmern, wenn er zwischendurch Zeit dazu finde; er habe allerdings eine Menge um die Ohren. Ich dachte schon, von dem hörst du nichts mehr, als nach ca. zwei Wochen das Telefon ging und er am Apparat war. Er sagte mir, dass das ja wirklich ein sehr bemerkenswerter Fall ist, der ihn jetzt ebenfalls interessiere, und dass er noch einen schmalen Ordner der damaligen Soko gefunden hatte. Neben einigen Fernschreiben der Soko (die durfte ich selbstverständlich nicht einsehen) befanden sich darin noch einige Zeitungsausschnitte. Davon bekam ich Fotokopien, und sie bildeten eine wertvolle Ergänzung zu den Artikeln, die ich im Offenbacher Stadtarchiv gefunden hatte.Als wir uns voneinander verabschiedeten, fragte ich: „Bleiben wir am Fall Makli weiter dran?“ – Antwort:„Ja, wir bleiben weiter dran.“
Als nächstes musste ich auch herausfinden, wo die Maklis damals gehaust hatten. In den Zeitungsartikeln las ich laufend von den „Grundwiesen“ und vom „Brüllochsenbachweg“. Ich setzte mich mit dem Stadtarchiv Neu-Isenburg in Verbindung. Die dortige Sachbearbeiterin, eine sehr freundliche Dame namens Claudia Lack, schickte mir eine aktuelle Karte von Neu-Isenburg, sowie die Kopie einer alten Gemarkungskarte. „An den Grundwiesen“ gibt es heute noch. Ein „Brüllochsenbachweg“ war auf der aktuellen Karte nicht eingezeichnet, aber dafür auf der alten Gemarkungskarte. Hier heißt er jedoch nur „Brüllochsenweg“. Als Erklärung stand dabei: „Am Brüllochsenweg, volkstümliche Bezeichnung für die Trift“. Wahrscheinlich gab es also zwei Versionen des alten Wegenamens, einmal mit und einmal ohne Bach. Nach Lage der Dinge stimmte die Gegend schon einmal. Ich hoffte nur, dass das Areal in der Zwischenzeit noch nicht bebaut worden war.
Die Maklis mussten auf dem Gelände einer ehemaligen Flakstellung aus dem 2. Weltkrieg gehaust haben. Die bekannte Flakstellung am Schindkautweg kann es nicht gewesen sein. Gab es irgendwo in der Nähe der Grundwiesen eine andere? Nun war endlich ein Lokaltermin angesagt.
Mit meiner „Sekretärin“ am Steuer ihres brandneuen Wagens ging es dann an einem Samstag im August nach Neu-Isenburg. Wir fanden per Navi gleich die Straße „An den Grundwiesen“, rechter Hand die Goetheschule und eine Sporthalle. Weiter ging es einen Weg in Richtung des Garten- und Wiesengeländes, das nach der Karte der Triebweg sein muss. Wir fuhren erst einmal weiter geradeaus, vielleicht fand man ja einen Kleingärtner, der sich hier auskennt. Den fanden wir dann auch nach einem abenteuerlichen Wendemanöver, und es war auch ein einheimischer „Isenburger“, der mir anhand der Karten ganz genau erklären konnte, wo das Areal liegt, auf dem die Maklis ihr Pachtgrundstück gehabt haben mussten. Dann kam es zu folgendem Dialog:
„Das muss auch ein Gelände sein, auf dem die Reste einer Flakstellung waren.“
„Die Flakstellung? Die ist wieder in einer anderen Richtung.“
„Sie meinen sicher die Flakstellung am Schindkautweg, die kann es nicht sein. Das Gelände war eindeutig das an den Grundwiesen.“
„Ja, doch stimmt, dort hinten war auch eine Flakstellung.“
Nun war ich elektrisiert. Das Jagdfieber hatte mich gepackt. Wie hieß es doch in der XY-Sendung:
„Die Eheleute Makli wohnen in einer abgelegenen, primitiven Behelfswohnung, das Gebäude gehört zu den Überresten einer Flakstellung aus dem letzten Krieg“.
An den Grundwiesen, Flakstellung – es passte. Und das Areal war noch nicht bebaut!
Also den Weg zurückgefahren den wir gekommen waren. Rechts ein kleines, weißes, kitschig gebautes Haus, auf der anderen Seite vom Weg, gleich gegenüber, geht der Pfad ab. Rechts nur Büsche und Bäume, auf der linken Seite eingezäunte Grundstücke, Pferdekoppeln. Das ideale Gelände für eine Tierhaltung. Einige der Grundstücke sind verwahrlost. Ich schoss sofort einige Fotos. Meine Bekannte sagte instinktiv, dass dies eine Gegend sei, in der sie nach Einbruch der Dunkelheit nicht alleine herumlaufen würde. Einsam, abgelegen. Auf einem der Grundstücke befanden sich gerade einige Personen.
Am Ende des Weges sah ich dann rechts die überwucherten Mauerreste der Flakstellung, die jetzt als Grube für Mist und „Pferdeäppel“ dient.
Die Reste der Flakstellung
Foto: ©Copyright, Arndt-Heinz Marx 2009
Gegenüber diesem Mauerrest ein Grundstück, auf dem Pferde gehalten werden.
Das zuerst von mir favorisierte Grundstück
Foto: ©Copyright, Arndt-Heinz Marx 2009
Da stand auch eine Gartenhütte mit altmodischen Fensterläden, dahinter ebenfalls die Mauerreste einer Flakstellung. War dies das ehemalige Makli-Grundstück? War dies sogar die „Mordbaracke“?
Hinter der Baracke sieht man die Mauerreste der alten Flakstellung
Foto: ©Copyright, Arndt-Heinz Marx 2009
Doch Pustekuchen, als ich wieder zu Hause war las ich noch einmal die zeitgenössischen Zeitungsberichte durch. Da stand, dass die Maklis eine Gartenhütte mit nur einem Fenster bewohnten. Die von mir ausgemachte Gartenhütte hatte aber drei Fenster, also kann sie es nicht gewesen sein. Sicher hat man die „Mordbaracke“ später abgerissen, und das Pachtgelände befand sich auf einem Nachbargrundstück. Vielleicht auf der anderen großen Koppel, wo gerade die Pferde so friedlich grasten? Ich hatte jedoch an diesem Tag das Gefühl, verdammt nahe dran gewesen zu sein!
3. (Vorläufiges) Schlusswort
Die Mordserie wird wohl nie mehr geklärt werden. Deshalb bleibt auch diese Reportage vorerst einmal offen. Dieser Bericht ist eine vorläufige erste Bestandsaufnahme. Sobald ich neue Infos von kompetenter Stelle (z. B. die genaue Lage des Tatorts)erhalte, und damit ist zu rechnen, oder sich ein einheimischer Zeitzeuge findet, der sich noch an die Maklis erinnert oder sogar mit diesen zu tun hatte(eine „stille Fahndung“ diesbezüglich habe ich angekurbelt), wird dieser Bericht sofort von mir umgehend aktualisiert.
Bis dahin heißt es im Falle des „Unheimlichen Mordschützen“ bei mir auch erst einmal:
……………………………………………Fortsetzung folgt!
Hier noch einige andere Grundstücke die sich auf dem Gelände befinden. Hausten auf einem davon die Maklis?
Fotos: ©Copyright, Arndt-Heinz Marx 2009
Quellen:
Offenbach-Post vom 06.09.1969
„ 08.09.1969
„ 09.09.1969
„ 13.09.1969
„ 26.11.1969
Hanauer-Anzeiger vom 06.09.1969
Frankfurter Rundschau vom 26.11.1969
Abendpost-Nachtausgabe vom 27.11.1969
„Aktenzeichen XY…ungelöst“-Sendung vom 06.03.1970
Anhang:
Eine Seite aus dem Neu-Isenburger Adressbuch von 1954/55. Links, ziemlich weit oben, ist Stefan Makli aufgeführt. Eintrag: Makli, Stefan, Metzger, Brüllochsenbachweg
(Herzlichen Dank für den Scan an Reiner Jäger, Dreieich).
Dies ist die ehemalige FINA-Tankstelle in der Darmstädter Str. 92 in Sprendlingen, die am 03.11.1969 vom „Mordschützen“ überfallen wurde.
Diese Tankstelle gehörte damals zum Autohaus Otto. Heute ist sie eine TOTAL-Tankstelle und wurde vor einigen Jahren umgebaut. Sprendlingen wurde in den 1970er-Jahren zu Dreieich eingemeindet.
Foto: ©Rebecca Schulz, Dreieich-Sprendlingen
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