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Fall Nitribitt 1957   Teil 1
[Fall Nitribitt 1957   Teil 2]

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Der Fall Rosemarie Nitribitt

1. Teil

„Hier ist der Hessische Rundfunk mit dem ersten Programm. In ihrer Wohnung in der Frankfurter Innenstadt ist heute Nachmittag gegen 17.00 Uhr das 24-jährige Mannequin Rosemarie Nitribitt tot aufgefunden worden. Das Mädchen ist vermutlich ermordet worden.“ Diese Meldung ging am Freitag, dem 1. November 1957 über den Äther und löste damit den ersten sogenannten „Sittenskandal“ der Wirtschaftswunder-BRD aus.

Marie Rosalie Auguste Nitribitt war am 1. Februar 1933 in Düsseldorf zur Welt gekommen. Ihre Kindheit und Jugend waren geprägt durch Pflegeeltern und Heimaufenthalte. Immer wieder rückte sie aus, wurde von der Polizei aufgegriffen und ins Heim zurückgeschickt. Schon damals zog es sie ins Milieu des Frankfurter Bahnhofsviertels der Nachkriegszeit.

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ED-Foto des Frankfurter Sittendezernats aus dem Jahre 1951

©Kriminalmuseum Frankfurt am Main/Polizeipräsidium Frankfurt am Main

Als sie volljährig wurde,  ließ sie sich ganz in Frankfurt nieder und ging der Prostitution nach. Ihr Gewerbe florierte gut. Bald fuhr sie einen schwarzen Opel Kapitän und bekam den Rufnamen „Käpt´n Lady“. Mit steigendem Einkommen ging sie zunehmend auf Distanz zum Bahnhofsviertelmilieu. Sie bezog am Eschenheimer Turm in der Stiftstraße 36 eine Zwei-Zimmer-Wohnung in einem neu gebauten Appartementhaus (4. Stock links, Appartement Nr. 41). Diese war für die damalige Zeit luxuriös: 70 qm groß und ausgestattet mit einer damals noch seltenen Fußbodenheizung.
                                     
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Hier der Blick auf Rosis Wohnzimmerfenster in der obersten
Etage. Der Nachmieter hat sogar ein Foto von ihr ins Fenster gestellt.

Außer der Wohnung schaffte sie sich einen schwarzen Mercedes 190 SL-Sportwagen mit roten Ledersitzen an -  Chefärzte fuhren noch mit dem VW-Käfer.  Sie parkte oft vor Frankfurter Luxushotels und betätigte dabei die Lichthupe, um potentielle solvente Kunden anzulocken. Auch gabelte sie ihre Kunden in Bars und Kneipen auf oder fuhr ihnen ganz einfach nach. Alles in allem war sie eine für die damalige Zeit extravagante und auffallende Erscheinung, was von ihr ja auch geplant und gewollt war. Ihr Künstlername war „Rebecca“.

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Vor dem Hotel „Frankfurter Hof“ ging Rosi oft auf Kundenfang

     
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Rosi in ihrer Wohnung

©Kriminalmuseum Frankfurt am Main/Polizeipräsidium Frankfurt am Main

Am Freitag, dem 1.November 1957, an Allerheiligen, wurde die Polizei aus der Nachbarschaft der Nitribitt benachrichtigt, dass deren Aufwartefrau sich Sorgen um ihre Chefin mache, da sie diese seit einigen Tagen nicht mehr gesehen und nichts mehr von ihr gehört hatte. Die Milch und die Brötchen stünden vor der Tür; normalerweise bestelle die Nitribitt sie ab, wenn sie verreise. Die herbeigerufene Funkstreife holte einen Schlüsseldienst und fand in der überheizten Wohnung - die Fußbodenheizung war voll aufgedreht - die bereits in Verwesung übergehende Leiche der Rosemarie Nitribitt .

Der Zeitzeuge Mickey Bohnacker, damals ein prominenter Pressefotograf, erinnert sich noch gut an den 1. November 1957. Er war einige Tage zuvor vom Chefredakteur der „Abendpost Nachtausgabe“ beauftragt worden, der Nitribitt nachzufahren, um Fotos von ihr zu machen. Es könne ja sein, dass sie einmal umgebracht werde,  und dann hätte man keine Fotos von ihr. Mickey Bohnacker hängte sich an die Nitribitt dran und notierte einige Tage lang, wo sie abstieg und verkehrte.

Am 1. November 1957 fuhr er an der Stiftstraße 36 vorbei und sah vor dem Haus den Opel Blitz der Mordkommission stehen. Das Treppenhaus war bereits voller sitzend und stehend wartender Pressekollegen. „Na, zu spät, aber immerhin kommt er“, bemerkte man mit Schadenfreude. Mickey Bohnacker stieg in den 4. Stock und schellte an der Mordwohnung. Kommissar Helmut Konrad, der Leiter der Frankfurter Mordkommission, öffnete die Tür und bedeutete ihm, dass er nicht in die Wohnung könne. Als er jedoch erklärte, dass er die Nitribitt seit einigen Tagen verfolge und sich Notizen über ihre Aufenthalte gemacht habe, wurde er von Konrad sofort als Zeuge in einer Mordermittlung eingelassen. Durch den Kompromiss, dass er seine Kamera nicht mit in die Wohnung nehmen durfte, wurden seine maulende Pressekollegen ruhiggestellt. So konnte er leider keine Fotos vom Tatort machen.

Mickey Bohnacker erinnert sich, dass in der Wohnung ein starker Gestank herrschte, der noch 3 Tage später anhielt. Die Leiche der Nitribitt war bei seinem Eintreffen bereits eingesargt. Anwesend waren, neben Helmut Konrad und einer Reihe weiterer Kriminalisten, noch die ihm bekannten Kriminalbeamten Heinz B. und Heinz R. Eine zweite Funkstreifenwagenbesatzung vom 3. Revier unter Schupo Otto N. holte die Staatsanwälte ab, um sie zum Tatort zu bringen.

Blofeld&Mickey

Mickey Bohnacker (links) mit Blofeld im November 2007

Der Polizei unterliefen gleich zu Anfang einige Pannen. Die Fenster wurden geöffnet, und die Zimmertemperatur wurde nicht gemessen; beides erschwerte die Berechnung des Todeszeitpunktes. Spuren wurden zertrampelt. Kommissar Konrad legte seinen Hut mit der Öffnung nach oben hinter die Schlafzimmertür, da die Garderobe bereits mit den Mänteln und Hüten seiner Kollegen vollgehängt war. Overalls, wie sie heute von der Spurensicherung verwendet werden, kannte man damals noch nicht. Bilder des Hutes wurden in der Presse dann als Bilder des „zurückgelassenen Hutes des Mörders“ bezeichnet. Drei Tüten mit Brötchen, die vor der Wohnungstür gestanden hatten, wurden nicht asserviert, sondern von der Aufwartefrau teils aufgegessen, teils weggeworfen.

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Der Fahrstuhl in der Stiftstr. 36, wie das Haus, ein Relikt aus den
1950er-Jahren. Benutzte diesen Lift außer Rosi auch der Mörder?

Alle Farbfotos: ©Arndt-H. Marx, Hanau

[Fall Nitribitt 1957   Teil 2]